Der Vorabend mit gemeinsamen Abendessen diente nicht nur der Netzwerkbildung, sondern lieferte auch „Food for Thought“ aus erster Hand. Frank Wichert, geschäftsführender Gesellschafter der Wichert Management und Unternehmensbeteiligung sowie neuer Kooperationspartner der Herforder Möbelverbände, sprach in seinem Vortrag über die Kunst des Führens und die – nicht zuletzt durch Corona implizierte – Arbeitsform des „Remote Work“.
„Remote Work“ erfordert ausgezeichnete Führungskompetenzen
Ausgehend von den Voraussetzungen für erfolgreiches Führen kam Wichert zu dem Schluss, dass Remote Working mit seinem situativen Ansatz vor allem hohes gegenseitiges Vertrauen erfordert. Hierbei seien eine direkte Kommunikation und das Vorgeben von Rahmenbedingungen für den Erfolg der Handelnden entscheidend. Sein Fazit: Führungskräfte müssen die Kollaboration organisieren und im Griff haben – und zudem die Gesundheit, auch die mentale, ihrer Mitarbeiter immer im Blick!
Vor diesem spannenden Exkurs genossen DCC-Geschäftsführer Dr. Olaf Plümer als Gratulant und Werner Herrmann als baldiger Ruheständler uneingeschränkte Aufmerksamkeit vor sichtlich mitgerissenem Publikum. Dr. Plümer, der mit anderen Mitstreitern über ein Viertel Jahrhundert mit Herrmann im DCC vertrauensvoll zusammenarbeiten durfte, dankte diesem IT-„Urgestein“ für dessen engagierte und souveräne Mitgestaltung bei der Standardisierung der Datenkommunikation speziell im Bereich Küche.
Kunden suchen wenige, aber eindeutige Entscheidungspunkte
Zur gemeinsamen Fachbeiratssitzung am Folgetag trat zuerst Dominik Witt als Key-Note-Speaker auf die Bühne. Der 32-jährige Maschinenbauingenieur stellte eingangs provozierend die Frage, ob denn nicht fast alle Entscheidungsfindungen im Internet am Produkt festgemacht seien und dafür kaum am Kunden. Dabei, so der Gründer des Start-ups Phaina (Bielefeld), zeige doch der Erfolg von Apple und anderen klar, dass Designkompetenz zwar beim Produkt beginnt, aber erst mit der Kundenkommunikation bei Beratung und Kauf endet.
Seine Prämisse – auch mit Blick auf den Küchenkauf: Weg mit dem unübersichtlichen technikgetriebenen Entscheidungschaos auf dem Bildschirm, dafür die Kaufentscheidung mit wenigen, klug formulierten Fragestellungen vorbereiten. Die eigentliche Konfiguration und Produktvorschläge können danach – mit entsprechenden technischen Informationen gemappt – viel schneller die Algorithmen künstlicher Intelligenz übernehmen.
Der DCC-Digitalindex startet am 17. April 2023
DCC-Berater Dr. Nektarios Bakakis konnte anschließend nicht ohne Stolz vom nahen Start des DCC-Digitalindex berichten. Dessen Rollout mit Pilotunternehmen ist für den 3. April geplant, der offizielle Start erfolgt anschließend am 17. April. Dr. Bakakis unterstrich, dass ab dann der Erfolg dieses auf www.dcc-moebel.org gehosteten Tools mit dem aktiven Engagement der Industrieunternehmen steht und fällt. Ab 4. Quartal 2023 soll die erste Branchenauswertung verfügbar, Benchmarks gesetzt und die eigene Positionierung beim Digitalisierungsfortschritt sichtbar sein.
Nach zahlreichen Informationen aus den Gremien zur Entwicklung der Datenformate und der EDI, zum Beanstandungsmanagement und aus dem Arbeitskreis „3D“ durch DCC-Mitarbeiterin Anika Degenhard sowie zum Arbeitsstand in der Eclass-Fachgruppe durch Stefan Wilms präsentierte Dr. Plümer gegen Abschluss der Sitzung den wohl anspruchsvollsten Vortrag – denn den meisten Sitzungsteilnehmern wurde bewusst, dass die bisherige „Denke“ in bzw. nach Daten-Formaten vielleicht bald der Vergangenheit angehören könnte – und mutmaßlich auch wird.
Digitaler Produktpass: Das DCC entwickelt Datenstrukturen für Möbel
Denn unter dem unscheinbar klingendem Titel „Digitaler Produktpass“ verbirgt sich mutmaßlich ein wahrhaftiger Systembruch. Ausgehend von den Maßnahmen zur Umsetzung der Kreislaufwirtschaft in der EU und der damit eng verknüpften Ecodesign-Verordnung der Union (ESPR) schreibt dort Artikel 8 in relativ kurzer Zeit die Bereitstellung digitaler Produktpässe für alle materiellen Güter vor, die in der EU in Verkehr gebracht werden. Dabei sind aktuell die meisten Fragen noch ungeklärt, z.B.: Wer macht was, welche Daten stehen wofür und für wen bereit, wie erfolgt das Tracking und – welche Daten werden überhaupt benötigt? Dreieinhalb Jahre stehen nur zur Umsetzung zur Verfügung, offizielle Regelungen seitens der Kommission liegen noch nicht vor...
Die Möbelindustrie strebt eine europäische Lösung über den EFIC an, der VDM – vom DCC als dem „Datenkommunikator“ der Branche flankiert – arbeitet auf nationaler Ebene an der digitalen Prozesskommunikation. Vorbei zu sein scheint die Zeit jedoch, in der stringente Datenformate als Richtschnur galten. Künftig gefragt sein wird die Darstellung und das Datenhandling zu Produkten über deren digitale Zwillinge in der Matrix oder in Daten-Ökosystemen bzw. -Containern, so Dr. Plümer abschließend.