Den Aufschlag machte wie gewohnt Verbandshauptgeschäftsführer Dr. Lucas Heumann mit seinem Geschäftsbericht. Zentrales Thema bildete die nicht einfache wirtschaftliche Situation des Branchenzweigs wie der Möbelindustrie insgesamt. Die Diskussion zeigte deutlich: Der Importdruck insbesondere von Wohnmöbeln aus Polen ist ungebrochen, reichlich fließenden Subventionen aus Brüssel sei „Dank“. Eine weitere, aufziehende Wolke am Horizont: Die nun vorliegenden Tarifforderungen der IG Metall, die sich leider wie befürchtet eng an der wirtschaftlichen Erfolgsbilanz der Metall-, Elektro- und der Automobilindustrie orientieren.
Schwerpunkte Statistik, IDM Wohnen und Möbellogistik
Weitere Themen des Geschäftsberichts: Kennzeichnungspflichten laut Produktsicherheitsgesetz, die nach wie vor auf EU-Ebene gewollte Möbel-ID Card, der Besuch bei MdEP Dr. Andreas Schwab bei VdDW-Mitglied Gwinner Wohndesign, die Gespräche im Auftrag der Wohnmöbelbranche mit Giga bzw. XXXLutz.
Christian Langwald von der Verbandsgeschäftsstelle stellte anschließend die Vorschläge des Arbeitskreises Statistik vor, von denen die ersten Maßnahmen durch die Mitgliederversammlung genehmigt wurden. Dr. Olaf Plümer, Geschäftsführer DCC e.V., machte danach die Unternehmensvertreter mit dem IDM Wohnen und dem geplanten Aufbau des Fachbeirats Handel vertraut. Mehrheitlich bekundeten die Branchenvertreter ihre Bereitschaft, die Aufwände bei der Entwicklung des Datenformats auf gemeinsamen Schultern zu tragen.
Andreas Ruf, VdDW und Homes GmbH, informierte seinerseits über die Ergebnisse des gemeinsamen Workshops „Zukunftskonzept Möbellogistik – Herausforderungen und erste Lösungsansätze“, über das Projekt Zimlog mit seiner Auftaktveranstaltung am 18. Februar 2016 in Köln sowie über die Vision „Möbellogistik 2020“. Unter fachlicher Führung durch Prof. Dr. Paul Wittenbrink (HWH) wurden die zehn wichtigsten logistischen Herausforderungen fixiert und werden nun in vier Handlungsfeldern angegangen. Ganz vorn im Fokus: Brennpunkt Rampe, EDI, Retouren und Reklamationen.
Kettnaker und Wiemann als VdDW-Vorsitzende bestätigt
Höhepunkt der Tagung aus Verbandssicht schließlich die einstimmig gefassten Beschlüsse zum Haushalt 2016 sowie zum Abschluss 2014, die ebenfalls einstimmige Entlastung von Vorstand und Geschäftsführung sowie die anstehenden Neuwahlen von Vorstand, Beisitzern und Rechnungsprüfern. Nach einstimmigem Votum wurden Wolfgang Kettnaker und Markus Wiemann als VdDW-Vorsitzende sowie Ludwig Hüls und Michael Stiehl als stellvertretende Vorsitzende bestätigt.
Beisitzer des Wohnmöbel-Verbandsvorstandes sind Waldemar Bauer, Helmut Roth, Wolfgang Schwägele, Detlef Wittenbreder und Clemens Deventer. Als Rechnungsprüfer wurden Isabell Gössling-Tietz und Steuerberaterin Dr. Kerstin Hofmeister gewählt. In einem ersten Statement dankte VdDW-Vorsitzender Wiemann für das entgegengebrachte Vertrauen und schwor Mitglieder sowie Geschäftsstelle auf den Arbeitsschwerpunkt „Marktdurchdringung und Verbandsstärkung“ ein.
Dr. Kreibohm: „Auch wir bieten Stellfläche – nur eben im Web“
In dem sich anschließenden öffentlichen Teil der Veranstaltung brillierte Dr. Philipp Kreibohm, Vorstand des Online-Versandhändlers Home24 und gebürtiger Herforder, mit humorvollen bis provokanten Thesen zu E-Commerce und der Zukunft von Möbel-Onlinegeschäften. Home24, Mitglied bei GfM-Trend, führt über 150.000 Artikel von ca. 1.000 Herstellern und erzielte 2014 rund 160 Mio. Umsatz mit 1.000 Mitarbeitern. Das Unternehmen konzentriert sich auf die Online-Märkte Europa (Deutschland, Österreich, Niederlande, Frankreich, Belgien, Italien, Schweiz) und Lateinamerika – etwa zwei Millionen Kunden werden aktuell bedient.
Seine Zuversicht schöpft Dr. Kreibohm mutmaßlich aus zwei Sachverhalten: Zum einen sei mit 500 Mrd. Euro weltweit bzw. 150 Mrd. Euro Jahres-Umsatzpotential der Einrichtungsmarkt faktisch gigantisch. Zum anderen ist der Anteil der Online-Möbelumsätze im Möbel-Gesamtabsatz mit 2,5 % geradezu ein zartes Pflänzchen und noch lange keine ‚ausgewachsene Eiche‘ – wie bspw. der Onlinemarkt für Mediaprodukte mit 37 % am Gesamtmarkt Media oder Elektronikartikel mit 19 % Marktanteil.
Online-Handel mit Möbeln erst ganz am Anfang
Hinzu kommt die faktische, sicher ungewollte ‚Unterstützung‘ des Online-Handels durch den stationären Betrieb: Der stationäre Handel trumpfe auf mit wachsender Fläche und sinkender Flächen-Produktivität, Uniformität und Vergleichbarkeit – gefördert durch Massenabsatz-Vermittlung via Einkaufsverbänden, einer Kosten- und Servicereduktion um fast jeden Preis sowie mit marktschreierischen Umsatzsteuer-‚Geschenken‘, Rabatten und späten Zahlungszielen. Fazit Kreibohm: Gulaschkanonen, Würstelbuden oder Kinderkirmes vorm Eingang der Möbelhäuser sind schön, erreichen aber nichts bei der Kundenbindung und schaffen keine nachhaltigen Kundenerlebnisse.
Ganz anders der Online-Handel, der jederzeit, überall und stets aktuell vielseitig informiert und Präsenz zeigt. Zum Kaufabschluss genüge ein Klick, bequem von zu Hause aus. Der Onlinehandel bricht so die territorialen Monopole des stationären Handels auf, kennt nur minimale Einstiegshürden, geringe Kosten und stetig steigende Zugriffszahlen. Auf Home24 beispielsweise greifen rund 400.000 Besucher je Tag zu.
Home24: Warehouse und Marketplace in einem
E-Commerce generiere völlig neue USP sowie neue Kaufoptionen und Erlebnisse für seine Kunden. Dahinter stecke natürlich ein hoher Aufwand an Merchandising, an Werbung (z.B. Jung von Matt für Home24), an Kreativität und an umfassender Datensammlung und -analyse.
Interessant bei den Rückfragen innerhalb des Vortrags: Sogenannten Multi-Channel-Vermarktungen steht Dr. Kreibohm recht kritisch gegenüber – wer könne schon jeden Vertriebskanal perfekt beherrschen? Hinsichtlich künftiger Aktivitäten sieht er ausgezeichnete Chancen für hochspezialisierte Online-Anbieter. Am Ende reichlich Applaus für den Gast aus Berlin – zumal der VdDW mit Dr. Kreibohm keinen ‚Überflieger-Nerd‘, sondern einen bodenständigen und fachkundigen Westfalen als Hauptreferent gewonnen hatte.