Im Mittelpunkt der Gespräche standen die Digitalisierung in Produktion und Vertrieb, die gewaltigen Herausforderungen durch den Internethandel, der immer deutlichere Fachkräftemangel, der schnell voranschreitende gesellschaftliche Wandel und die Schwierigkeit des Gesetzgebers, Schritt zu halten, sowie eine tendenziell mittelstandsunfreundliche Politik.
Die erste Station machte Schwab – Mitglied im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz sowie stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments – im ostwestfälischen Rietberg. Dort wurde er von Rudolf Eikenkötter, geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Rietberger Möbelwerke, begrüßt und durch blitzsaubere Produktionshallen sowie die facettenreiche Ausstellung geführt.
Rietberger Möbelwerke: komplett RFID-gestützte Auftragsfertigung
Das mit gut zwölf Jahren relativ junge Unternehmen hat in der Vergangenheit eine beeindruckende Bilanz vorgelegt und sich mit der „gesellschaftlichen Mitte“ sich eine dankbare Zielgruppe gewählt, die mit kräftigen Einkäufen im stationären Handel die Bemühungen des Unternehmens belohnt.
Dennoch sind die Rietberger mit ihren Erfolgen derzeit eher der Einzelfall in der Wohnmöbelbranche, sieht man vom obersten Preissegment ab. Denn viele deutsche Mittelständler dieses Segments werden massiv durch die opulente Subventionspolitik von polnischer Seite ausgebremst. Gerade dies, so Andreas Schwab, behalte er sehr genau im Blick – denn die bisherigen Arbeitsergebnisse der EU-Gremien nach der Subventionsbeschwerde der deutschen Möbelindustrie hält der Gast aus Brüssel für unbefriedigend.
Sorgen des Mittelstands gegenüber der Politik
Interessanterweise antwortete Eikenkötter, was er als Unternehmer von der europäischen Politik erwarte, plakativ mit nur einem Wort: Gleichbehandlung! Denn offenbar schiebt sich nicht nur zwischen börsennotierten Konzernen und familiengeführten Mittelstandsunternehmen ein wachsender Keil, sondern auch innerhalb der auf Harmonisierung bedachten EU werde wohl mit vielerlei Maß gemessen – zumindest aber werden Rechtsverstöße unterschiedlich je nach Mitgliedsland sanktioniert. Gesetzgeber und Kommission müssten endlich gegensteuern, so die Aufforderung des Unternehmers an Schwab.
Unabhängig davon irritiere die Möbelindustrie aktuell die Fixiertheit der politischen Bühne in Deutschland auf alles ‚Digitale‘. Natürlich sind Internet, vernetzte Prozesse bzw. Industrie 4.0 wichtige Themen – dass jedoch unter einem etwas ‚denkwürdigen‘ Modernitätsverständnis alle traditionellen Strukturen als „veraltet“ gelten, sei erstens falsch, wie Eikenkötter feststellt, und zweitens nachhaltig Kapital und Arbeitsplatz vernichtend.
Polstermöbelhersteller Cor: Hält der Gesetzgeber angesichts der Digitalisierung noch Schritt?
In vergleichbarem Kontext diskutierte wenige Augenblicke später Leo Lübke, geschäftsführender Gesellschafter der Polster-Designschmiede Cor, am Firmensitz in Rheda-Wiedenbrück ähnliche Gedanken mit dem Gast aus dem Europäischen Parlament. Das aktuelle Tempo aller Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft sei so gewaltig, dass Recht und Gesetzesentwicklung immer mehr ins Hintertreffen geraten. Auf Seiten der klassischen Industrie stelle sich so ein gewisses Gefühl „ungerechter“ Behandlung und Strukturen ein, so der Gesprächskonsens.
Die deutsche Möbelindustrie werde beispielsweise aktuell von zwei Seiten in die Zange genommen: Auf der einen Seite von der bekannten Handvoll durchgriffsstarker, scheinbar wettbewerbsrechtlich unbedenklicher Einkaufsverbünde des stationären Möbelhandels, auf der anderen Seite neuerdings von großen Internet-Plattformen, die ohne erkennbare Gewinnerzielungsabsicht auf klarem Verdrängungskurs fahren. Und in der Mitte befinden sich unzählige möbelherstellende Mittelständler, deren wirtschaftliches Tun von Kontrollbehörden misstrauisch durchleuchtet wird. Ein Gefühl der Ohnmacht bereitet sich damit Bahn.
Es besteht Handlungsbedarf – die Akteure gehören an einen Tisch!
Bei Andreas Schwab fiel der Appell um Unterstützung auf fruchtbaren Boden und er versprach, kurzfristig wichtige Entscheidungsträger von Behörden und Politik mit Vertretern der deutschen Möbelindustrie in Brüssel zusammenzubringen. Natürlich könne es nicht darum gehen, die Welt um 20 Jahre zurückzudrehen, so der Parlamentarier scherzhaft – jedoch müssten sich politische Eliten ihrer Verantwortung stellen. Der Wille dazu sei da, vielfach fehle es schlicht an direkten Informationen von den Betroffenen. Ein Übel, dem er abhelfen wolle – wie Andreas Schwab als Fazit seiner „Möbelreise“ durch Ostwestfalen festhielt.