Die Einführung von Peter Kettler legte den Schwerpunkt auf den Zusammenhang von Materialgewicht und Energieaufwand. Die Spannweite des Energieverbrauchs reicht dabei weit – vom Aufwand bei der Erzeugung und Bearbeitung über Handling und Transport bis hin zur Entsorgung. Grundsätzlich gilt: je schwerer der Werkstoff desto energieaufwendiger der Umgang damit – und umgekehrt natürlich. Da Energiekosten seit langem nur die Richtung „nach oben“ kennen, spricht aus Energieverbrauchs-Sicht also ebenfalls alles für den Leichtbau.
Die neue Pfleiderer-Welt
Claus Seemann, Leiter Produktmanagement Trägerwerkstoffe von Pfleiderer Holzwerkstoffe, eröffnete den Fachteil der Sitzung mit Erläuterungen zu der Neuaufstellung des traditionsreichen Hauses. Auch in jetziger Aufstellung sieht sich das Unternehmen mit den Marken Pfleiderer, Wodego, Duropal und Thermopal als Platzhirsch in Deutschland. Neu ist in diesem Kontext der einheitliche Marken- und Kommunikationsauftritt unter dem alleinigen Dach namens Pfleiderer. Als wichtigster Beitrag zum Thema Leichtbau gehört „Balance Board“ zu den erfolgreichen Produktentwicklungen des 3.500 Mitarbeiter-Konzerns.
Spanplatte light – von der Idee zum Produkt
Dr. Christian Bohn, Entwicklungsleiter des Unternehmens, berichtete anschließend über den facettenreichen Weg dieser Produktentwicklung. Angesichts des Nachfragewettbewerbs um Holz bzw. einer befürchteten Übernutzung oder vollständigen Deckungslücke im Jahr 2030 scheint die Versorgungssicherheit der Industrie mit Holz bzw. herkömmlichen Holzwerkstoffen gefährdet.
Bereits 2006 startete deshalb bei Pfleiderer die Entwicklung eines Ersatz-Werkstoffes für Spanplatten unter folgenden Maßgaben: Ersatz von 20-30 % Holz durch in ausreichender Menge vorhandene, ökologische Rohstoffe, diese dabei kurzfristig produktionsnah nachwachsend, einer Produktion auf vorhandener Conti-Technologie, mit Verarbeitbarkeit mit vorhandenen Technologien und Verwendung existierender Beschlagtechnologie, einer Reduktion des Gewichts um 20-30 % sowie der Erfüllung aller technischer Anforderungen und Normen. Das Ergebnis heißt Balance Board, wird aus einem Feldpflanzen-Biomassegranulat produziert und erfüllt alle Anforderungen des Marktes perfekt.
Rohstoff oder Brennstoff Holz – eine unsägliche Konkurrenz
In seinem zweiten Beitrag ging Claus Seemann auf den mit Blick auf die CO2-Bilanz bzw. -Speicherung katastrophalen Wettbewerb zwischen stofflicher und energetischer Nutzung von Holz ein. Entgegen verbaler Bekenntnisse wie in Kyoto oder Rio zur CO2-Minderung werde durch die Politik ordnungspolitisch klar die energetische Nutzung von Holz präferiert. Unabhängig von Versorgungsgrenzen durch die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder – man denke an FSC- oder PEFC-Zertifizierung – wird über Subventionen aus Steuermitteln die Holzverbrennung als Hauptlieferant erneuerbarer Energien forciert und der Preis für Waldholz für Bauwesen und Möbelproduktion künstlich verteuert. Ein Ende ist nicht abzusehen – bereits in drei Jahren wird die Verbrennung von Holz mengenmäßig die stoffliche Nutzung übertreffen.
Verarbeiten wie gewohnt: die leichte Balance Board
Über Einsatzbereiche, technische Eckdaten und über die Verarbeitung von Balance Board referierte Walter Engeser, Anwendungstechniker bei Pfleiderer Leutkirch. Im Blickfeld standen die überzeugend positiven Materialeigenschaften dieser neuartigen Leichtbau-Platte: hohe Stabilität (nach EN 312 P2), geringes Gewicht (ca. 500 kg/m³ bei 19 mm Plattendicke), gewohntes Be- und Verarbeiten wie Beschichten, Sägen, Bekanten, Bohren oder Fräsen und Montieren der Beschlags- und Verbindungstechnik. Fazit: Keine technologischen Umstellungen oder Neuanschaffung von Maschinen bzw. Werkzeugen sind erforderlich!
Naturfaserkunststoffe – Fortschritte und Grenzen
Eine Übersicht über Naturfaserverbundsysteme gab abschließend Cord Grashorn (IST Ficotex, Bremen) den interessierten Zuhörern. Herausragend ist die Eigenschaftspalette dieser Kunststoffe wie geringes Gewicht (10 bis 30 % unter Glasfaser) bei hoher spezifischer Festigkeit und Steifigkeit, gute akustische Eigenschaften, günstige Rohstoff- und Werkzeugkosten sowie geringer Herstellungsaufwand, Kleinserientauglichkeit (ab 500 Stück) und akzeptable Recyclingergebnisse.
In sogenannten One-Shot-Verfahren können beispielsweise sehr leichte, jedoch hochstabile Stuhlunterlagen, Designmöbel oder Trennwandsysteme nach duro- oder thermoplastischer Technologie aus nahezu 100 % nachwachsenden Rohstoffen gefertigt werden. Obwohl die Verfahren und Anwendungen nicht brandneu sind, erleben sie doch heute eine erfreuliche Renaissance mit Blick auf Rohstoff- und Energiekosten sowie jüngsten technologischen Entwicklungen – gerade im Leichtbau.